Wird Venedig als „gefährdetes Welterbe“ eingestuft?

Vor zwei Jahren konnte Venedig mit der Verbannung der Kreuzfahrtschiffe diese Einstufung gerade noch verhindern. Doch nun empfehlen einige Experten der UNESCO erneut, Venedig auf die Liste der gefährdeten Welterbe einzustufen. Wird Venedig als „gefährdetes Welterbe“ eingestuft?

Wird Venedig als „gefährdetes Welterbe“ eingestuft?

Durch eine „anhaltende Verschlechterung durch menschliches Eingreifen“ wie die weitere Entwicklung der Gegend, Klimawandel und Massentourismus drohten „irreversible“ Schäden, hieß es in der Expertenmitteilung von gestern Montag, 31. Juli 2023. Man hoffe, dass es mit einer Aufnahme in die Liste mehr Engagement lokaler, nationaler und internationaler Akteure gebe, wirksame und nachhaltige Korrekturmaßnahmen zu entwickeln.

Die Bausubstanz in Venedig verschlechtere sich durch menschengemachte und natürliche Faktoren und lasse das Stadtgebiet „verfallen“. Neben dem Tourismus wurden auch Hochhausbauprojekte genannt, die einen „erheblichen negativen optischen Eindruck“ hinterließen. Viele dieser Probleme seien seit Jahren bekannt, bemängelte die UNESCO.

Kreuzfahrtschiffe verbannt – eine halbe Lösung

Groß waren die Medienberichte, über die Verbannung der Kreuzfahrtschiffe aus Venedig. Tatsächlich fahren die großen Schiffe nicht mehr durch den Giudecca Kanal sondern werden durch den Petrolkanal in den „malerischen“ Ölhafen von Marghera umgeleitet, dem Massentourismus tut dies aber keinen Abbruch. Nun werden die Massen aus den Schiffen eben von Marghera ins Stadtzentrum gekarrt. Konsumiert und eingekauft wird dann freilich wieder an Bord. Die paar Magnete die sie bei den fernöstlichen Souvenirhändlern kaufen, retten Venedig keinesfalls. Wir haben darüber berichtet: Kreuzfahrtschiff-Verbot in Venedig eine Farce – halbe Million Besucher erwartet!

Venedig und seine Lagune stehen seit 1987 auf der Weltkulturerbeliste. Die regelmäßigen Überflutungen in den Herbst- und Wintermonaten führten zu zahlreichen Schäden – besonders das enorme Hochwasser im November 2019. Aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels wurde das Hochwasser eine echte Bedrohung für die Stadt. Inzwischen verfügt die Stadt über ein Flutschutzsystem. Der Bau des Großprojekts MOSE dauerte Jahrzehnte und stockte unter anderem wegen Korruptions- und Geldwäscheskandalen. Leider ein immerwährendes Problem. Die starke Verstrickung der Wirtschaft mit der Politik. Schmiergeld und Korruption stehen an der Tagesordnung.

„Strategische Vision“ fehlt in Venedig

Die UNESCO vermisst aber nun weitere Fortschritte. Die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen seien unzureichend. Es fehle eine „allgemeine strategische Vision“. Venedig dürfe nicht in ein Freilichtmuseum verwandelt werden, sagte ein UNESCO-Diplomat gegenüber der Agentur AFP. Es gebe nach wie vor zu viel Massentourismus in der Stadt. Dem allerdings gegenzusteuern, trauen in Venedig die wenigsten Bewohner zu. Der Bürgermeister Brugnaro (gewählt von der Bevölkerung vom Festland) setzt jedenfalls keine Schritte, die dem entschieden entgegenwirken. Viel zu undurchsichtig sind auch seine Verstrickungen mit seinem Firmenkonglomerat Umana. Auch der Bewohnerschwund in der Stadt wird hingenommen. Genau das, was die Umwandlung in ein Museum mit Airbnb-Wohnmöglichkeit begünstigt. Das scheint jedoch die Stadtverwaltung wenig zu kümmern.

Der dokumentierte Bewohnerschwund

Die Pro-Venedig-Seite venessia.com dokumentiert regelmäßig den Bewohnerschwund in Venedig. Das Symbol dabei ist die Zahl 49.999 geworden, welche inzwischen schon unterschritten wurde. Es wohnen also in Venedig nur mehr weniger als 50.000 Einwohner. Viele ziehen aufs Festland und die freigewordenen Wohnungen werden zu Airbnbs umgewandelt. Auch traditionelle Geschäfte verschwinden mehr und mehr aus der Stadt. Ersetzt werden auch diese meist sehr schnell. Zu kaufen gibt es dann dort statt venezianischer Handwerkskunst nur noch Souvenirartikel aus Fernost.

Der Massentourismus bleibt

Zu Spitzenzeiten übernachten in Venedig 100.000 Touristen, zusätzlich zu Zehntausenden Tagesbesuchern. Bereits im Jänner diesen Jahres hätte eine Eintrittsgebühr für Venedig für Tagestouristen kommen sollen. Diese wurde mehrfach verschoben und soll nun 2024 eingeführt werden.

Die UNESCO-Experten fordern italienische Behörden und zivilgesellschaftliche Gruppen im In- und Ausland zu mehr Engagement auf, um den „außergewöhnlichen universellen Wert“ der im fünften Jahrhundert gegründeten Stadt und ihrer Lagunen zu schützen.

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